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Netzfragen: Bitkom fürchtet schleppende Glasfaser-Versorgung

Netzfragen: Bitkom fürchtet schleppende Glasfaser-Versorgung

Jeder Provider ist von seinem Netz überzeugt und setzt auf die seiner Meinung nach beste Technologie. Im Expertengespräch mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien, beziehungsweise kurz Bitkom, klären wir essenzielle Fragen rund um das Zwei-Klassen-Netz und wie Deutschland mit schnellerem Internet versorgt werden kann. Im Interview erläutert Nick Kriegeskotte, dass ZeroRating per se nicht verurteilt werden solle und die Wettbewerbssituation noch immer seine volle Dynamik erreiche. Weshalb die Aussetzung nach Meinung des Bitkom eine „unbefriedigende Situation“ darstellt, ob diese überhaupt eine Zukunftsvision hat und vor allem, wie Anbieter dem Breitbandausbau, Glasfaser und 5G begegnen sollten.

Nick Kriegeskotte war vor seinem Karriereeinstieg beim Bitkom 2014 bei der Deutschen Telekom und der Bundesnetzagentur angestellt. In dem Verband, der unter anderem in den Bereichen Netzpolitik, Telekommunikation sowie Datenschutz- und Sicherheit Interessen seiner Mitglieder vertritt, ist Nick Kriegeskotte seit 2015 Bereichsleiter für Telekommunikationspolitik. Kriegeskotte ist darüberhinaus im Verband der Netzallianz des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur beschäftigt. Er leitet den nationalen IT-Gipfel in den Bereichen Telekommunikation und 5G. In dem Interview geht Nick Kriegeskotte darauf ein, dass 5G bereits in wenigen Jahren verfügbar sein werde, der bundesweite Ausbau von Glasfaser innerhalb der nächsten acht Jahre allerdings nicht zu stemmen sei. Ein Interview von Moritz Krauß und Roman van Genabith.

ZeroRating ist willkommen

TechnikSurfer: Die Netzneutralität ist für viele ein hohes Gut im Internet. Wie steht der Bitkom dem Einklassennetz gegenüber?

Kriegeskotte: Das Thema Netzneutralität ist ein sehr fassettenreiches. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder betont, dass es uns wichtig ist, dass alle Internet-User Zugang zu allen legalen Inhalten, Diensten und Anwendungen haben. Wir haben uns auch immer zu einem Ausbau des Best-Effort-Internets bekannt. Dieser muss weiter vorangetrieben werden, damit das bestehende Leistungsniveau nicht unterschritten wird, sondern eine Weiterentwicklung in diesem Bereich möglich ist. Daneben müssen auch weitere Dienste möglich sein, die besondere, qualitätsgesicherte Qualitäten benötigen.

TechnikSurfer: Worin liegen Ihrer Meinung nach Vor- und Nachteile in Angeboten wie StreamOn von der Telekom oder Vodafone Pass?

Kriegeskotte: ZeroRating an sich hat per se nichts mit Priorisierung von Datenpaketen zu tun, sondern es geht darum, welche Dienste auf das Datenvolumen angerechnet werden und welche nicht. Wir sind der Auffassung, dass solche Dienste mit den gesetzlichen Vorgaben der TSM-Verordnung absolut im Einklang stehen. Bevor die TSM-Verordnung verabschiedet wurde, hat man sich in vielen Diskussionen auf gesetzgeberischer Seite darauf geeinigt, ZeroRating weiterhin zu ermöglichen. ZeroRating als solches dient aus unserer Sicht dem Kunden, weil dieser am Ende des Tages mehr Datenvolumen zur Verfügung hat, das er für andere Dienste nutzen kann, die nicht unter ZeroRating fallen.

TechnikSurfer: Während die Bundesnetzagentur bei Vodafone Pass noch immer einen Verstoß gegen die Netzneutralität untersucht, ist die Telekom fein raus – zumindest fast. Wie beurteilen Sie die Einschätzung der Agentur und die geforderten Nachbesserungen?

Kriegeskotte: Die Entscheidung ist so neu, dass wir sie bislang noch nicht im Detail bewerten konnten. Begrüßenswert ist allerdings, dass die Bundesnetzagentur ZeroRating grundsätzlich erlaubt.

TechnikSurfer: Wie sähe Ihre eigene ZeroRating-Lösung aus?

Kriegeskotte: Wir selber sind kein Netzbetreiber und bieten solche Dienste dementsprechend auch nicht an. Aber natürlich haben wir Mitgliedsunternehmen, die diese Dienste auf dem Markt erbringen. Durch den ausgeprägten Wettbewerb werden hier kundenorientierte und innovative Dienste bereitgestellt.
Wir machen aber als Verband keine Vorgaben, wie ZeroRating aussehen sollte. Das überlassen wir ganz der Wettbewerbssituation. Grundsätzlich ist es wichtig, dass auch solche Dienste nachteilsfrei für Partner angeboten werden.

TechnikSurfer: Fürchtet der Bitkom, dass Deutschland durch solche ZeroRating-Angebote wieder ein Stück weiter von echten Flatrates im Mobilfunk entfernt ist?

Kriegeskotte: Wir haben insgesamt auf dem Mobilfunkmarkt eine sehr dynamische Entwicklung, die dafür gesorgt hat, dass das Preis-Leistungs-Verhätnis in den vergangenen Jahren für den Verbraucher immer günstiger geworden ist. Es gibt mittlerweile viele Tarife, die Flatrate-Modelle für Telefonie und SMS beinhalten. Aber auch die verkauften Datenvolumen werden insgesamt immer größer.

TechnikSurfer: Wie sieht es denn mit Internetflatrates aus, bei denen nicht irgendwann die Drosselung einsetzt?

Kriegeskotte: Im Unterschied zum Festnetz haben wir beim Mobilfunk oft Datenpakete, die auch nach Ablauf des Datenvolumens weiterlaufen, nur eben mit einer verminderten Bandbreite. Da gibt es größere und kleinere Datenpakete und eben auch unbegrenzte Tarife, die dann teuerer sind. Diese Tarife sind durchaus verfügbar, sie mögen aber für viele Kundinnen und Kunden nicht attraktiv sein.

TechnikSurfer: Die Frage, die immer wieder aufkommt ist doch: Warum ist Datenvolumen in Deutschland so teuer, wie fast nirgendwo?

Kriegeskotte: International sind die Marktbedingungen unterschiedlich. Ich kann nur für den deutschen Markt sprechen. Auch in Deutschland haben wir die Entwicklung, dass die Datenvolumen zunehmen, und wir haben günstige Flatrates im Festnetzbereich.

TechnikSurfer: Abseits vom Endkundengeschäft: Sehen Sie auch signifikante Vorteile für Datendienste die priorisiert behandelt werden?

Kriegeskotte: Für eine priorisierte Behandlung kommen im Kern solche Dienste in Frage, die besonders qualitätskritisch sind, die also zum Beispiel eine Echtzeit-Kommunikation erfordern. Aktuell sind das vor allem Telefondienste, unter anderem weil diese auch Notrufe gewährleisten müssen. Aber natürlich sind in der Zukunft noch weitere qualitätskritische Dienste vorstellbar; beispielsweise das vollautomatisierte Fahren und die Steuerung von Maschinen.

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Quelle Bild: karn684 | Bigstockphoto

Der richtige Mix zum Gigabit-Netz

TechnikSurfer: Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Bitkom, hat 2015 gesagt, 50 Mbit/s „ist allenfalls ein Etappenziel“. Bis zum Gigabit in ganz Deutschland ist es trotzdem weit. Was muss die nächste Etappe sein und wie wird diese erreicht?

Kriegeskotte: Als nächste Etappe haben wir Gigabit-fähige Netze bis zum Jahr 2025 im Blick.

TechnikSurfer: Worin sehen Sie die Zukunft – Glasfaser, VDSL oder Kabel?

Kriegeskotte: Es wird einen Mix aus Technologien geben, der Glasfaser-basiert ist. Die Versorgung mit FTTH für jeden Haushalt wird bis 2025 nur schwer zu schaffen sein. Deshalb geht es um einen Ausbau der TV-Kabelnetze, die eine sehr hohe Bandbreite erreichen können, und des Mobilfunks. Es geht aber auch darum, das DSL-Netz weiter auszubauen. Das Ziel ist es, in diesem Mix eine Gigabit-Fähigkeit zu erreichen.

TechnikSurfer: Sollte es nach Meinung des Bitkom, ähnlich wie beim Ausbau von VDSL, auch Ausbau-Cluster für Glasfaser geben?

Kriegeskotte: In der Vergangenheit wurden zwei grundsätzliche Modelle angewandt; zum einen Betreibermodelle, zum anderen aber auch Deckungslücken-Modelle. Beide haben sich, je nach Fall, bewährt. Wir müssen diesbezüglich für Gigabit-Netze sicherlich über die sogenannte Aufgreifschwelle reden, die im europarechtlichen Rahmen vorgegeben ist, um zu definieren, wann welche Regionen gefördert werden können.

Wohlgemerkt sind diese geförderten Modelle einem privatwirtschaftlichen Ausbau immer nachgestellt. So gibt es bei all diesen geförderten Projekten die Vorgabe, dass zunächst überprüft werden muss, dass ein privatwirtschaftlicher Ausbau nicht erfolgt. Was dann schlussendlich im Einzelnen die Voraussetzungen für geförderte Gigabit-Netze sein sollen, wird einer der Kerndiskussionspunkte im nächsten Jahr sein. Entscheidend ist dabei, dass zunächst die Rahemenbedingungen geschaffen werden, um ein Maximum an privatwirtschaftlichem Engagement zu generieren und getätigte Investitionen nicht zu entwerten.

TechnikSurfer: Thema 5G: Rechnen Sie mit einem zügigen Ausbau des neuen Mobilfunkstandards oder müssen sich Verbraucher auf ein zähes Ringen um jede Gemeinde einstellen?

Kriegeskotte: Wir rechnen damit, dass die Technik etwa 2020, vielleicht etwas früher, kommerziell verfügbar wird. Das wäre dann der Zeitpunkt, mit dem der Ausbau beginnen kann. Dafür braucht es auch die erforderlichen Frequenzen. Es wird dann auf einen sukzessiven Ausbau hinauslaufen, und nicht von heute auf morgen der Schalter für eine sofortige Verfügbarkeit umgelegt werden können.

TechnikSurfer: Mit welchen Kosten rechnet der Bitkom für den Ausbau von 5G und wie sollten Provider diese Aufgabe angehen?

Kriegeskotte: Wir haben das nicht kalkuliert. 5G wird aber unter anderem weitere Antennenstandorte erfordern. Aktuell ist es wichtig möglichst viele Anwender über die Vorteile der 5G-Technologie zu informieren. Wir sind daher im Dialog mit vielen potentiellen Nutzern, zum Beispiel in der Automobilindustrie, dem Gesundheitsbereich, der Medienwirtschaft und auch der Landwirtschaft.

TechnikSurfer: Wägen Sie Vor- und Nachteile eines möglichen Verkaufs der Telekom-Anteile vom Bund ab.

Kriegeskotte: Die Eigentümerstrukturen unserer Mitgliedsunternehmen sind für uns kein Thema.

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Vorratsdatenspeicherung, gib die Hoffnung auf

TechnikSurfer: Die Vorratsdatenspeicherung – ein heiß diskutiertes Thema. Der Bitkom ist ebenfalls gegen das Gesetz. Worin liegen die Risiken und Probleme bei dieser Praxis?

Kriegeskotte: Beim Thema Vorratsdatenspeicherung gab es bereits mehrere Anläufe, die eigentlich alle gescheitert sind. Auch der neue Anlauf steht rechtlich mittlerweile auf der Kippe. Hierzu gab es in jüngster Vergangenheit einige Urteile, wie die des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung in anderen europäischen Ländern. Die Richter haben Voraussetzungen formuliert, die Zweifel daran aufkommen lassen, dass die deutsche Vorratsdatenspeicherung dem gerecht wird. Das hat auch das Oberverwaltungsgericht Münster im Juni so bewertet und festgestellt, dass die deutsche Vorratsdatenspeicherung gegen europäisches Recht verstößt.

Daraufhin hat die Bundesnetzagentur mitgeteilt, dass Unternehmen, die die Vorratsdatenspeicherung aktuell nicht umsetzen, keine Sanktionen zu befürchten haben. Alles in allem ist das eine sehr unbefriedigende Situation, da die Unternehmen einerseits formell die gesetzliche Anweisung zur Vorratsdatenspeicherung haben, aber andererseits große Zweifel bestehen, ob diese überhaupt rechtskonform ist. Das führt dazu, dass unserer Information nach auch kaum ein Unternehmen die Vorratsdatenspeicherung umsetzt. Diese unbefriedigende Situation sollte dringend bereinigt werden.

TechnikSurfer: Gibt es eine geeignetere Vorratsdatenspeicherung und sollte man dieses Konzept generell fallen lassen?

Kriegeskotte: Letzten Endes muss das der Gesetzgeber bewerten, inwiefern die Vorratsdatenspeicherung erforderlich ist, beispielsweise bei der Terrorismusbekämpfung oder der Aufklärung schwerer Straftaten. Wenn es jedoch eine Verpflichtung gibt, muss sie praktikabel und vor allem rechtssicher sein. Besonders die Rechtssicherheit ist eine große Schwierigkeit. Bei dem aktuellen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung hat man sich sehr eng an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum ersten Gesetz der Vorratsdatenspeicherung orientiert. Dann entstanden aber durch europarechtliche Urteile neue Voraussetzungen. Man sieht, dass es äußerst schwierig ist, hier eine rechtlich saubere Lösung hinzubekommen.

TechnikSurfer: Dr. Rohleder sollte mit seiner Aussage 2015 recht behalten: „Die Unternehmen müssen sich auf eine längere Phase der Rechtsunsicherheit einstellen, weil das Gesetz mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder vor dem Verfassungsgericht landen wird.“ Rechnen Sie damit, dass die Vorratsdatenspeicherung letztinstanzlich Bestand haben wird?

Kriegeskotte: Wir warten ab, was das Bundesverfassungsgericht dazu bald urteilen wird. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat ja bereits entschieden, dass die aktuelle deutsche Vorratsdatenspeicherung mit den letzten Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs nicht zu vereinbaren ist. Das gibt ja schon einen Hinweis, in welche Richtung das Ganze gehen kann.

TechnikSurfer: Besten Dank für das Interview.

Weitere Netzfragen-Interviews

• Interview mit der Telekom: Telekom will nicht am Billigsten sein
• Interview mit Telefónica: Deutschland darf „bei der Digitalisierung nicht den Anschluss verlieren“

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