Es ist soweit. Apple hat neue MacBooks vorgestellt. Die neuen MacBook Pro – Modelle begeistern mit einigen aufregenden Neuerungen, aber es bleiben Fragen offen. Seit Apple auf dem September-Event keine neuen Macs vorstellte, fragten sich Kunden und Analysten, wann Cupertino sich der Modellpflege annehmen würde. Zeit war es, die MacBook-Linie begann zuletzt bereits zu schwächeln. Nun hat Apple etwas mehr als nur Modellkosmetik gezeigt, das ist unbestritten. Dennoch sind nicht alle zufrieden.
Touch Bar und Touch ID – der fade Beigeschmack
Beginnen wir mit dem, was am wenigsten kontrovers ist: Apple hat die MacBooks der neuen Pro-Linie mit Touch ID versehen. Der neue T1-Chip verwaltet die Fingerprints analog zum Secure Element im iPhone, der Sensor wandert unter den Powerbutton und die Lernkurve dürfte minimal sein. Das ist ein Fortschritt, längst überfällig, wenn man bedenkt, dass bereits vor zehn Jahren serienmäßig Fingerabdruckleser in Businessnotebooks eingebaut wurden. Nun hat also auch das MacBook Pro einen. Allerdings nur dieses und keines der übrigen Modelle – vom MacBook, Macbook Air und dem verbliebenen MacBook Pro Stand 2015. Keins dieser Modelle erhält ein Upgrade mit Touch ID. Das ist unverständlich und wirkt kleinlich.
Der Touch ID-Sensor ist Bestandteil der neuen Touch Bar und als solches konnte er nicht ohne Weiteres in die älteren Bauformen integriert werden. Das ist als Grund diese Modelle nicht zu aktualisieren aber nicht ausreichend. Ein hardwaretechnisches Problem, das zum Lösen Apples Fähigkeiten kaum überstiegen hätte. Die Touch Bar birgt echtes Innovationspotenzial. Nutzer von Grafikanwendungen wie Photoshop oder dem hauseigenen Final Cut Pro werden die Touch Bar lieben, erklärten Schiller und Co. während der Keynote und wir sind geneigt, ihnen das zu glauben. Die Vereinfachung und Zusammenfassung von Teilen des Workflows beim Filmschnitt und Photoshoppen könnte Bilder- und Filmemacher tatsächlich begeistern. Wenn Dritthersteller die Touch Bar gut nutzen, gibt es hier viel Luft nach oben.
Ein Beispiel war die DJ-App DJay Pro, eine bereits hervorragende Lösung für Amateur- und semiprofessionelle Plattendreher. Das Scratchen und Loopen allein mittels Touch Bar könnte das DJ-Erlebnis großartig machen und für einige den Griff zur Extra-Hardware überflüssig machen. Dass Apple mit Adobe und Microsoft bereits prominente Partner für die Touch Bar-Unterstützung präsentieren konnte, macht Hoffnung.
Galoppierende Apple-Inflation
Der bereits einen Tag nach der Vorstellung höchst umstrittene Punkt sind die Preise des neuen MacBook Pro. Diese sind bereits in ihrer US-Version teurer geworden, die Europreise sorgen aktuell für Empörung und Kopfschütteln. Das Einstiegsmodell des neuen MacBook Pro mit Touch Bar liegt bei 1.999 Euro. Das ist mehr, als Viele verkraften können oder wollen. Und tatsächlich liegen solche Zahlen schwer im Magen. Es ist wahr, dass die Europreise aufgrund der aktuellen weltwirtschaftlichen Situation und daraus resultierender Währungseffekte Europäer besonders hart trifft, ohne dass Apple hier direkt mit beteiligt ist, doch das tröstet hierzulande nur Wenige.
Auch scheint es zeitweise, als würde Apple gänzlich das Augenmaß bei seiner Preispolitik verlieren. Das Spitzenmodell des neuen MacBook Pro ist einen günstigen Neuwagen oder eine USA-Reise wert, die ein ordentliches Hotel beinhaltet. Es fällt schwer, die hier aufgerufenen Preise gerechtfertigt zu nennen. Der Sturm der Entrüstung, sobald die Produktionskosten der neuen Modelle aufgeschlüsselt werden, ist schon jetzt gewiss. Vor Jahren gab es bereits einen vergleichbaren Preissprung, als die neuen Retina MacBooks kamen. Später wurden die Preise dann etwas angepasst. Bleibt zu hoffen, dass es auch jetzt so sein wird.
Was nicht gezeigt wurde
Die immensen Kosten sind nicht der einzige Faktor, der dieser Tage für Stirnrunzeln in der Apple-Welt sorgt. Apple frühstückt das MacBook Air ab – mehr oder weniger. Das elf Zoll-Modell verschwindet, das 13 Zoll Modell bleibt vorerst erhalten. Man fragt sich, wozu. Welche Zielgruppe adressiert Apple mit dem letzten Rest einer Familie, die offenkundig nicht mehr gepflegt wird? Ist das am Ende eine Art Trostpflaster für jene, die sich nichts anderes aus dem Portfolio leisten können oder wollen? Das MacBook Pro ohne die Neuerungen vom Donnerstag bleibt ohne nennenswerte Updates erhalten, auch hier wurde Potenzial verschenkt, zumal Apple auch in den neuen Top-Modellen lediglich Intels Skylake-CPUs verbaut und nicht die neueste Prozessorgeneration zur Anwendung bringt. Auch dieser Umstand sorgte bereits für Unmut in der Käuferschaft. Zuletzt wurde kein Wort über die Desktoplinie von Apple verloren, obgleich der Mac für Apple erklärtermaßen so wichtig ist. Kein neuer iMac, kein Mac Pro und kein Mac Mini. Was vor einem Monat für das MacBook Pro galt, gilt jetzt erneut: hoffentlich nächstes Jahr.
Fazit
Wie auch bei der Vorstellung des neuen iPhones fragen wir uns: hat Apple geliefert? Und geben uns die Antwort: Ja. Aber die Fragezeichen scheinen heute größer und drängender, als sie es vor einem Monat waren.
Quelle Titelbild: hadrian / Bigstockphoto